Inkognito
An der Kasse der Supermarktkette ›real‹ bin ich Zeuge folgender Szene geworden: Während die letzten Waren aus dem Einkaufswagen auf das Kassenband gelegt wurden und das Piepsgeräusch des Kassenscanners schon mehrere Male zu hören war, wurde der Kunde Andreas H. aufgefordert, seinen Personalausweis vorzuzeigen, um einen Altersnachweis zu erbringen. Verdutzt darüber, – und sich im Unklaren, welche Ware dafür ausschlaggebend war -, klärte sich gleich darauf das Missverständnis auf: Eine Flasche Ölivenöl wurde versehentlich als hochprozentiger Alkohol erkannt und war Auslöser dieses skurrilen Schauspiels. Peinlich berührt entschuldigte sich die Kassiererin mehrmals, während ich dabei war, die Umstände der Verwechslung zu analysieren und ein gewisses Verständnis gegenüber der Kassiererin zu entwickeln.
Das Olivenöl der Qualitätsmarke ›BERTOLLI‹ ist zweifelsohne mit Merkmalen ausgestattet, die man ebenso auch in der Produktsparte der Spirituosen findet und die überwiegend dort beheimatet sind:
Die grüne, leicht konische Flasche mit markantem Standfuß würde sich problemlos in jede gut sortierte Hausbar einschmiegen können. Zudem verfügt die Flasche über Prägungen, die sich ebenfalls auf Flaschen anderer Spirituosen z.B. ›Gordon’s Gin‹ oder ›Jägermeister‹ wiederfinden lassen. Das Kronenwappen mit Ehrenkranz ließe sich sicher problemlos in das Packaging-Design einer Spirituosenmarke übertragen und Attribute, wie die Angabe einer Jahreszahl, spielen sich auch auf den Flaschen von ›Martini‹ ab. Überwiegend werden für Textinhalte (u.a. Originale) visuelle Trägerelemente wie Banderolen und Embleme verwendet, die von kupferstichartigen Schraffuren begleitet werden. Die zeichnerischen Abbildungen eines Olivenzweigs und eines Segelschiffs lassen ebenfalls Assoziationen zu, die auch im Kontext Alkohol Gültigkeit hätten – das Schiff bildet das Hauptmotiv des Etiketts des Rums von ›Captain Cook’s‹ und die Olive ist als Garnitur eines Martinis bekannt. Die Anhäufung und Kombination dieser Merkmale lassen den Inhalt der Flasche austauschbar werden ohne die Konsequenz, dass die Flasche in einem anderen Regal stehen bliebe.
Wenn uns Kunden gegenüber austauschbare Codes verwendet werden, die sich über Produktkategorien hinweg etabliert haben, wird einem die Banalität solcher Wahrnehmungsmechanismen bewusst und wie oft wir trotzdem darauf reinfallen.
Quergrübler rät: Augen auf, beim Olivenölkauf! 😉